Smartwatches und andere sogenannte Wearables sind auf dem Vormarsch und erobern nicht nur die Handgelenke von Sportbegeisterten, sondern auch die der Kinder und halten damit Einzug in die Schulen. Dagegen ist nichts zu sagen, könnte man denken. Kriminell wird es aber dann, wenn diese niedlichen Uhren dazu geeignet sind, heimlich Umgebungsgeräusche aufzuzeichnen. Umgebungsgeräusche sind nämlich auch Gespräche und damit auch alles, was zum Beispiel im Unterricht geschieht. Kindersmartwatch – ab wann ist es eine „verbotene Sendeanlage“?
Mitteilungen erhalten, Anrufe annehmen und fast schon untergeordnet auch die Uhrzeit ablesen, kurz gesagt, jederzeit erreichbar sein. Das ist die Funktion, die mit den Smartphones in unser tägliches Leben Einzug gehalten hat. Nützlich oder doch mehr eine smarte elektronische Fußfessel? Letzteres scheint sich zu manifestieren: So ermittelte bereits 2017 die Bundesnetzagentur, dass es eine große Anzahl von Anbietern auf dem deutschen Markt gibt, die Smartwatches vertreiben, die mit einer Abhörfunktion ausgestattet sind. Zielgruppe: Schulkinder zwischen 5 und 12 Jahren.
Die Uhren haben über eine SIM-Karte eine eingeschränkte Telefonie-Funktion und daneben auch weitere, – zwar möglicherweise fragwürdige, aber zulässige – Funktionen wie u.a. die GPS-Ortungsfunktion. Damit können z.B. die Eltern jederzeit kontrollieren, wo sich ihr Kind gerade aufhält. Darüber hinaus verfügen diese „Kinderuhren“ zusätzlich über eine Abhörfunktion. Mit dieser Funktion kann der App-Nutzer (der die Uhr nicht selbst trägt) durch Eingabe einer beliebigen Telefonnummer in der App bestimmen, dass diese Smartwatch unbemerkt die Umgebung und die Gespräche des Uhrenträgers abhört. Hinzu kommt, dass man es diesen „Uhren“ in den seltensten Fällen ansehen kann, ob sie eine verkleidete Sendeanlage sind oder nicht. Und eben diese Funktion macht diese Geräte strafrechtlich relevant. Denn durch das Aktivieren der Funktion kann derjenige, der zu Hause sitzt, in Echtzeit Ihren Unterricht verfolgen.
Die Rechtslage
Es steht außer Frage, dass ein Abhören des Unterrichts gegen den Willen und ohne die Kenntnis der im Raum befindlichen Personen nicht erlaubt ist. Hierbei spielt es zunächst eine untergeordnete Rolle, mit welchem Gerät die Audio-/Videoübertragung stattfindet. Das Verbot solcher Geräte ergibt sich aus dem Telekommunikationsgesetz. In dessen § 90 heißt es:
[...] Es ist verboten, Sendeanlagen oder sonstige Telekommunikationsanlagen zu besitzen, herzustellen, zu vertreiben, einzuführen oder sonst in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen, die ihrer Form nach einen anderen Gegenstand vortäuschen oder die mit Gegenständen des täglichen Gebrauchs verkleidet sind und auf Grund dieser Umstände oder auf Grund ihrer Funktionsweise in besonderer Weise geeignet und dazu bestimmt sind, das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen von diesem unbemerkt abzuhören oder das Bild eines anderen von diesem unbemerkt aufzunehmen. [...]
Für Kindersmartwatches bedeutet dies, dass Sie eine verbotene Sendeanlage regelmäßig dann vor sich haben, wenn – ohne dass es auf dem Gerät sichtbar ist – eine Übermittlung von Bild oder Ton auf das mit der Uhr verbundene Handy stattfindet. Einige Kindersmartwatches verfügen nämlich zusätzlich zu einem Mikrofon auch über eine Kamera zur Übermittlung von Bilddaten zwecks Videotelefonie. Ist während der Bildübermittlung auf dem Display des Gerätes nichts von einer Übermittlung zu erkennen, handelt es sich um eine „verbotene Sendeanlage“ im Sinne des § 90 Abs. 1 TKG .
Was tun?
Sie könnten sich von den Kindern die jeweilige Gebrauchsanweisung zeigen lassen, denn dort müsste beschrieben sein, dass es sich um ein Gerät mit einer sog. Monitorfunktion handelt. Das ist aber zum einen umständlich und gehört zum zweiten nicht zu Ihren Aufgaben als diejenigen, die den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule umzusetzen haben. Hinzu kommt: Eine Überprüfung gegen den Willen des Schülers oder der Schülerin ist grundsätzlich nicht erlaubt.
Abhilfe kann hier, wie in vielen anderen Fällen auch, Ihre Schulordnung oder Hausordnung schaffen. Ebenso, wie Sie dort regeln können, in welchem Zustand sich ein in die Schule mitgebrachtes Handy oder Smartphone befinden darf (ausgeschaltet, stummgeschaltet, jedenfalls aber außerhalb des direkten Schülerzugriffs) können sie eine derartige Regelung für (Kinder-)smartwatches treffen. Das vorhersagbare Argument, die Schülerin oder der Schüler seien auf die Watch angewiesen, weil sie doch die Zeit ablesen müssten, können Sie damit kontern, dass zumindest im Unterricht die Lehrkraft den Zeittakt vorgibt und kein Schüler seine Pause verpasst. Und im Rahmen von Klassenarbeiten sollte ein internetfähiges Endgerät – nichts anders stellt eine Smartwatch dar – per se zu den verbotenen Hilfsmitteln zählen.
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GPS-Uhren und Kontroll-Apps auf dem Smartphone können jeden Schritt von Kindern überwachen. Eltern versprechen sich davon mehr Sicherheit, Hersteller wittern Umsätze. Und die Kinder?
Von Titus Arnu
Auch Dreijährige haben wichtige Termine. 7.15 Uhr: Aufstehen. 7.20 Uhr: Frühstücken. 7.40 Uhr: Jacke anziehen, versuchen, die Klettverschlüsse an den Schuhen zu schließen. 7.43 Uhr: Rituelles Weinen und Auf-den-Boden-Werfen aus Protest gegen den Kindergarten. 8.30 Uhr Stuhlkreis. 9 Uhr Spielen. So geht das den ganzen Tag weiter.
Damit viel beschäftigte Kinder auch keinen solcher Termine verpassen, können sie sich von einer Baby-Smartwatch an ihre Pflichten erinnern lassen. Die "Octopus Joy", erhältlich in Pink, Hellblau, Gelb, Rot und Grau, soll Drei- bis Achtjährigen "bei ihren vielfältigen Alltagsaufgaben helfen", wie es auf der Website des Unternehmens heißt. Und zwar auch ohne Lesekenntnisse: Ein Duschsymbol macht die Kinder darauf aufmerksam, wann es Zeit für die Körperpflege ist, ein stilisierter Knochen zeigt an, dass der Hund gefüttert werden muss, und wenn Messer und Gabel erscheinen und die Uhr vibriert, heißt das: Essen ist fertig!
Hersteller behaupten, das Gerät fördere gute Manieren
Wer den Werbespot für die Smartwatch anschaut, die es bislang nur in den USA für 59 Dollar gibt, könnte glauben, es handele sich um eine Satire über unsere eng getaktete, digitalisierte Welt. Ein blondes Mädchen wird von seiner schlauen Plastikuhr am Handgelenk durch den Alltag dirigiert, vom Aufstehen bis zum Spieleabend mit der Familie. Das Gerät fördere "Verantwortung, Unabhängigkeit und Selbstwertgefühl", behauptet der Hersteller. Es sei ein "Trainingswerkzeug für gute Manieren".
Unabhängigkeit, Selbstwertgefühl, Manieren? Vielleicht könnte es eher so sein, dass der Optimierungswahn der Eltern hinter jeder Aufgabe steckt, die auf der Uhr mit einem niedlichen Symbol aufpoppt. Die Erwachsenen sind es nun einmal, die das Gerät programmieren, und sie können auch ständig über eine Fernsteuerungs-App kontrollieren, ob die Kinder ihre Termine wahrnehmen.
Die Firma Joy, ein Start-up-Unternehmen aus San Francisco, prophezeit, dass ihre Erfindung die Kleinen auf das spätere Berufsleben vorbereitet und ihnen beim Lernen für die digitale Welt hilft. Im Kern handele es sich aber schon um ein "Kommunikationstool für Eltern". Jedoch ist die Kommunikation ziemlich einseitig.
Für Helikoptereltern, die ganztags ohnehin schon digital um ihre Kinder herumschwirren wollen, könnte die Smartwatch ein hübsch getarntes Spionagegerät sein.
Überwachung im kleinen und im größeren Maßstab
Ähnliche Überwachungsmöglichkeiten verstecken sich in Apps für Teenager. 94 Prozent der deutschen Zwölf- bis 19-Jährigen besitzen ein Handy mit Internetzugang. Auf denen können Eltern Programme installieren, die automatisch den Standort der Kinder an ihre Handys oder Tablets senden. Die Tracking-App "Life 360" zeigt die Position der Familienmitglieder auf einer Karte an. Der Orter hat laut Herstellerangaben weltweit bereits 100 Millionen Nutzer.
Überwachung im kleinen Maßstab funktioniert schon über Whatsapp oder Facebook. In den Kommunikationsprogrammen kann man immer nachschauen, wann jemand zuletzt online war und ob er die letzte Nachricht gelesen hat. Man weiß aber nicht, wo sich der Betreffende befindet.
Spezielle digitale Spione mit Namen wie Pocket Nanny, iNanny, Family Tracker oder Footprints können mehr. Installiert auf den Kinderhandys und denen ihrer Eltern funktionieren sie wie elektronische Fußfesseln. Wenn das Kind nicht rechtzeitig in der Schule oder beim Fußballtraining erscheint oder sich aus seinem gewohnten Umfeld entfernt, schlägt die App Alarm. Die Anbieter solcher Programme, die monatlich bis zu 9,99 Euro kosten, appellieren an die Urängste vieler Eltern. "Die Familie zu beschützen war nie leichter", wirbt etwa die App Mama Bear. Die Bewertungen von Käufern im Netz sind überwiegend positiv: "Gute App um die Kinder im Auge zu behalten", lautet einer der Fünf-Sterne-Kommentare.
Smartwatches, angepriesen als kleine elektronische Helfer und Handyersatz, werden immer beliebter. Unter manchem Weihnachtsbaum dürfte eine solche Uhr zu finden sein. Die meisten dieser Uhren verfügen über eine GPS-Ortung sowie eine SIM-Karte und haben eine Kamera und ein Mikrofon an Bord.
Die Sorge als Verkaufsargument
Das stärkste Verkaufsargument für solche Uhren ist die Sorge der Eltern. Ihnen wird von den Herstellern suggeriert, dass sie sich permanent darüber informieren können, wo ihr Kind sich befindet. Die Eltern können das Kind sogar häufig über eine sogenannte Monitorfunktion abhören. Ja, abhören, denn ohne, dass der Träger der Uhr es mitbekommt, können die Eltern das Mikrofon einschalten und so die Gespräche und Umgebungsgeräusche mithören. Auch können Kinder mit allen in der zugehörigen App eingetragenen Telefonnummern telefonieren.
Hier könnte jetzt die Diskussion starten, warum es meiner Meinung nach alles andere als sinnvoll ist, Kinder jeglicher Privatsphäre zu berauben, dass es sich bei der Sicherheit nur um eine vorgegaukelte Sicherheit handelt und was für eine Gesellschaft wir fördern, wenn Menschen von Kindesbeinen an mit Überwachung als etwas ganz Alltäglichem konfrontiert werden etc. Doch diese Überlegungen muss jedes Elternteil für sich beantworten. Was sie jedoch wissen sollten, sind die jüngst festgestellten eklatanten technischen Mängel mancher Kindersmartwatch, die diese „Sicherheitsgadgets“ zu reellen Gefahren für ihre Kinder machen.
In einem aktuellen Test hat welche zu AV-TEST gehört, die Smartwatch SMA-WATCH-M2 des chinesischen Herstellers Shenzhen Smart Care Technology Ltd. getestet. Bei dieser Smartwatch für Kinder sind über den zugehörigen Account Name, Adresse, Alter, Bilder und Sprachnachrichten verknüpft. Das soll es Eltern besonders einfach machen, Kontakt zu ihrem Nachwuchs zu halten.
Die Technik als Grundrechtsverletzung
Das Problem dabei ist aber, dass diese sehr persönlichen und – spätestens im Falle der Positionsdaten – sensiblen Informationen unverschlüsselt übertragen und gespeichert werden. Relativ einfach konnten die Sicherheitsexperten den Livestandort abfragen und so Bewegungsprofile erstellen. Wenn über den Account auch Bilder von dem Kind einsehbar sind, lässt sich das Kind an jedem beliebigen Ort ausfindig machen. Noch erschreckender ist „die Möglichkeit, die Eltern aus dem Account auszusperren, sich selbst als diese auszugeben und mit den Kindern über die Uhr Kontakt aufzunehmen.“ Dies wird u.a. dadurch ermöglicht, dass es keinen wirksamen Authentifizierungs-Mechanismus in der App gibt. Den Testern zu Folge waren Zugriffe auf Daten von über 5.000 Kindern in Europa möglich.
Der Versandhändler Pearl, der dieses Modell vertrieb, hat das Produkt nach Bekanntwerden der Testergebnisse sofort aus dem Sortiment genommen. Aber die Uhr dürfte unter anderem Namen wohl auch bei anderen Anbietern erhältlich sein.
Bereits 2017 hatte die Bundesnetzagentur verschiedene Smartwatches für Kinder verboten (wir berichteten). Eltern, die ihren Kindern trotz aller Bedenken solch eine Smartwatch geben wollen, sollten sich unbedingt informieren, wie es um die Sicherheit der Daten bestellt ist.
November 09,2022 Post by :Luka Müller