Als ich vor ein paar Jahren das erste Mal in einem amerikanischen Hifi-Forum etwas über die Geräte der italienischen Marke Grandinote las, war der Tenor mehr oder weniger: gewöhnungsbedürftiges Äußeres, aber exzellenter Klang. Die in schwarzen Stahl und etwas Chrom gehüllten Geräte scheinen in der Tat allesamt eher zweck- als designorientiert gestaltet. Den Zweck hat Grandinote-Vordenker Massimiliano (Max) Magri hierbei so definiert: Er will die Verstärker mit dem natürlichsten Klang bauen – und das mithilfe eines einzigartigen, patentierten Konzepts verwirklichen. Der neugierige Kunde kann sich hierbei in vielfältiger Weise dem umfangreichen (und zunächst etwas verwirrend anmutenden) Verstärkerprogramm des südlich von Mailand angesiedelten Herstellers nähern.Der Katalog listet nämlich nicht weniger als drei Vorverstärker, vier Endstufen und gleich fünf Vollverstärker auf. Mal sehen, ob die Kombination aus dem mittlerem Vorverstärker Grandinote Domino (12.900 Euro) und den Top-of-the-line Mono-Endstufen Grandinote Demone (30.000 Euro) Magris Ansprüchen gerecht wird.
Klassisch puristisch
Ja, das optische Erscheinungsbild ist eher puristisch und durch das dominierende Schwarz sowie die verchromten Lüftungsgitter sowie die sichtbaren Verschraubungen stark industriell angehaucht. Ob es gefällt, ist sicher Geschmackssache. Die Materialqualität und deren Verarbeitung geben jedoch keinen Anlass zu Beanstandungen, was bei den aufgerufenen Preisen auch als selbstverständlich durchgeht. Form und Aufbau folgen hierbei streng dem Grandinote-spezifischen Geheimrezept für fortgeschrittenen Verstärkerbau. Aber dazu gleich etwas mehr.
Wer sich dem wunderschönen polierten Stahlrücken des Grandinote-Verstärker-Trios nähert, wird keine Überraschungen erleben, mal abgesehen von der konzeptionellen Vorliebe von Max Magri für symmetrische Anschlüsse. Die Vorstufe bietet hiervon gleich drei Eingänge sowie einen Ausgang, hält aber auch ebenso viele unsymmetrische Anschlüsse vor. Da die Top-Geräte von Max Magri, seiner konsequenten symmetrischen Philosophie folgend, nur noch symmetrische Anschlüsse ausweisen, finden wir an den Grandinote-Demone-Endstufen auch nur noch diese. Purismus regiert zudem bei den Lautsprecheranschlüssen: ein Paar muss reichen.
Sie haben sicher schon gemerkt, dass wir uns hier mit klassischen Hifi-Geräten beschäftigen, die rein auf besten Klang hin konstruiert wurden. Daher wird sich die Enttäuschung wohl in Grenzen halten, wenn ich Ihnen jetzt sage, was die Grandinote-Domino-Vorstufe alles NICHT kann: Sie hat weder einen DAC noch einen Streamer eingebaut (gibt es separat von Grandinote und heißt Volta), sie hat keinen Phonopre (auch der ist nur separat unter dem Namen Celio erhältlich) und auch keinen Kopfhöreranschluss (einen Kopfhörerverstärker gibt es bei Grandinote bislang leider nicht).
Ein bisschen Geduld
Wer das Terzett jetzt schnell verkabelt, über die großen zentralen Druckknöpfe in Betrieb nimmt und gespannt auf die ersten Töne wartet, muss erst einmal etwas Geduld mitbringen. Wie eine italienische Espressomaschine oder ein Satz Pirelli-Formel-1-Reifen wollen die Grandinote-Verstärker ausreichend vorgewärmt werden. Der Domino-Vorverstärker macht dies dem Zuhörer unmissverständlich durch einen Countdown von 99 bis 0 klar, bevor er seine Eingänge durchschaltet. Die Demone-Monos brauchen sogar noch länger und verstärken erst mal gar nicht und dann zunächst widerwillig. Die Grandinote-Endstufen laden in den ersten zwei Minuten zunächst ihre enormen Energiespeicher auf und bringen dabei zudem ihre Bauteile auf die nötige Temperatur. Die Siebkapazität beträgt pro Stereoseite satte 300000 Mikrofarad verteilt auf unzählige kleine Kondensatoren. Es macht daher Sinn, die Demone-Monos nacheinander einzuschalten. Auch um die Wartezeit nicht noch durch den Gang zum Sicherungskasten unnötig zu verlängern.
Praxisnah
Dass Magri allem Purismus zum Trotz sehr praxisnah denkt, zeigt sich unter anderen darin, dass sich die Vorstufe beim Ein- oder Umschalten den letzten Ausgangspegel jedes Eingangs merkt und die Lautstärke langsam bis zum voreingestellten Wert erhöht. Das ist nicht nur praktisch, sondern schont im Zweifel Ohren und Lautsprechermembranen gleichermaßen. Zweckmäßig ist auch die mitgelieferte wertige Aluminium-Fernbedienung mit der sich neben den Eingängen die Lautstärke in 34 Stufen wählen lässt. Und hier ist einer meiner wenigen Kritikpunkte an der Bedienung: Von den möglichen 34 Stufen nutze ich beim täglichen Hören gerade einmal 6 im Bereich von 8 bis 13 und ertappe mich daher immer mal wieder beim Hin-und-her-Zappen zwischen zwei Stufen. Aber ja, es gibt definitiv Schlimmeres.
Apropos Lautstärke: Der Signalpegel wird in der Vorstufe – wie in dieser Preisklasse üblich – über ein verlustarmes Widerstandnetzwerk geregelt.
Schaltungsdesign: I did it my Way
Und was macht Vordenker Max Magri anders als alle mir bekannten Verstärker-Entwickler? Nun, die großflächig, mittig platzierten Lüftungsgitter und die darunter befindlichen massiven Kühlkörper sind schon einmal ein deutlicher Fingerzeig auf das in allen Grandinote-Verstärkern verwendete reine Class-A-Prinzip: Vom ersten bis zum letzten der für die Grandinote Demone versprochenen 60 Watt an 8 Ohm Last wird in Class-A verstärkt, ohne in den Class-AB-Betrieb überzugehen. Das lässt schon mal aufhorchen, werden so doch die unschönen Übernahmeverzerrungen um den Nullpunkt vermieden. Bis hierhin gibt es jedoch noch eine ganze Reihe prominenter Mitbewerber, die ebenfalls auf diese reine Verstärkungslehre setzen.
Einer der bekanntesten ist wahrscheinlich Nelson Pass mit seiner XA-Serie, die ich bereits im direkten Vergleich mit den Grandinote-Monoverstärkern hören konnte. Beide Entwickler verzichten zudem übereinstimmend auf eine Über-Alles-Gegenkopplung. Magri geht aber noch einen entscheidenden Schritt weiter, indem er lokale Gegenkopplungsstufen ebenfalls aus seinen Schaltungen verbannt. Und das ist schon ziemlich einmalig, insbesondere bei Transistorverstärkern. Und tatsächlich basiert die Schaltungstopologie bei Grandinote grundsätzlich auf der von Push-Pull-Röhrenverstärkern, was eine weitere Besonderheit erklärt: die eingesetzten Ausgangsübertrager.
Ursprünglich wickelte Max Magri sogar sämtliche Transformatoren und Übertrager selbst von Hand. Hierfür hatte er sich bereits in den 90er-Jahren eine entsprechende Wickelmaschine angeschafft, da er lange Zeit keinen Hersteller fand, der seinen Qualitätsansprüchen gerecht wurde. Für die 60 Watt pro Kanal setzt Magri übrigens nur zwei Ausgangstransistoren ein: einen für das Signal in Phase und den anderen für das um 180 Grad invertierte Signal. Beide phasenverschobenen Signale summieren sich dann im Ausgangsübertrager. Im Gegensatz hierzu setzt Nelson Pass in seinen leistungsmäßig etwa vergleichbaren XA-60.8-Monoblöcken pro Stereoseite sage und schreibe 40 Transistoren ein.
Imposant auch der Aufwand, den der Italiener bei der Stromversorgung treibt, um den beiden Transistoren auch ja die allerbesten Arbeitsbedingungen zu bieten: Gleich 16 Dioden kümmern sich pro Kanal um das Gleichrichten der Versorgungsspannung, die zudem in – siehe oben – unzähligen Kondensatoren zwischengespeichert wird, um wirklich stabile Verhältnisse sicherzustellen.
Diese technisch unglaublich aufwändige Umsetzung einer Röhrenschaltung mittels Transistoren (Grandinote hält hierauf unter dem Begriff „Magnetosolid“ ein Patent) versucht somit die Stärken von Röhren- und Transistorverstärkern zu verbinden. Messtechnisch soll sich dies anhand ausgedehnter Bandbreite, einem hohem Dämpfungsfaktor (Grandinote gibt hier trotz fehlender Gegenkopplung >230 an) und röhrenartig linear ansteigender Klirrwerte fast ausschließlich 2ter und 3ter Ordnung bemerkbar machen.
September 23,2021 Post by :Luka Müller